Herausforderungen im Leben eines Junghundes
Wenn Du diesen Blogartikel liest, werden Dir bestimmt einige Themen bekannt vorkommen, wenn Du einen Junghund, einen Hund aus dem Tierschutz, einen gestressten und / oder einen Hund hast, der irgendwie etwas ganz Besonderes ist.
Es ist viel passiert in den letzten 18 Monaten. Josie kam vor 1,5 Jahren im Alter von 14 Monaten in einem ziemlich schlechten mentalen und körperlichen Zustand zu uns. Bei unserer ersten Begegnung wusste sie wohl, dass sie sich von ihrer besten Seite zeigen musste, damit sie mit zu uns nach Hause durfte. Sie war zuckersüß - zu uns und den anderen Hunden. Auch die mehrere Stunden dauernde Autofahrt hat sie super gemeistert.
Aber kaum, dass wir in den Hof gefahren waren, zeigte sie ihr wahres Ich...
Die anderen Hunde durften vor ihr aus dem Auto aussteigen, im Auto tobte es lautstark. Ok, an der Frusttoleranz müssen wir wohl noch ein wenig üben. Naja, das war absolut untertrieben.
Denn gepaart mit der fehlenden Frustbewältigung kam noch eine riesige Wut dazu, die es nicht besser und einfacher machte.
Nun stand Frusttoleranz üben auf dem Tagesplan
Ich konnte es absolut verstehen, dass Josie in ihrem früheren Leben keinen Frust ertragen musste. Wenn man so in ihre süßen Augen schaute, konnte man ihr direkt den roten Teppich auslegen, nur damit es ihr gutging. Und dann die hinderlichen Gedanken: Es ging ihr ja vorher sooo schlecht, natürlich soll es ihr jetzt besser gehen.
Dreimal im Kreis gedreht, den Kopf wieder geradegerückt, damit ich überhaupt klar denken konnte. Aber dann war klar:
So würde sie nie lernen, dass es nicht immer nach ihrem Kopf geht.
Einfach war das nicht – wirklich nicht. Aber es musste sein.
Und weißt Du was? Wenn man sich das täglich vorsagt, dann klappt es irgendwann auch. 😏
Das Thema haben übrigens viele Hundebesitzer, die sich wundern, dass ihr Hund an der Leine tobt, weil er unbedingt zu einem anderen Hund hin will. Josie tut das auch. Aber es wird immer besser., denn ich habe auch die beste Unterstützung, die es geben kann - einen anderen Hund.
Denn kein Mensch kann so genial mit ihr üben wie ein innerartlicher Sparringspartner. Mein anderer Vizsla nimmt beispielsweise Josies Lieblingskong und steckt ihn ihr fast bis in den Hals, nur um ihn dann wegzuziehen, wenn Josie ihn nehmen will. Und nicht nur 1x, sondern so lange, bis Josie genervt aufgibt. Das kann mal schneller und mal weniger schnell gehen. Auch ich muss da an meiner Impulskontrolle arbeiten, um es nicht zu unterbrechen, denn manchmal tut sie mir schon echt leid.
Wo wir gerade von Impulskontrolle sprechen...
Auch hier gab es extreme Defizite. Das war sogar so schlimm, dass sie jedem Blatt, das vom Wind umherwehte, hinterhergesprungen ist. Und wie man sich vorstellen kann, kommt da kein Wind vorbei und sagt. Achtung, jetzt wehe ich mal ein bisschen. Nein, es kommt aus dem Nichts, wenn Josie dann während eines Spazierganges plötzlich entscheidet, jetzt nach hinten links zu rennen und mir, die darauf nicht vorbereitet ist, die Schulter halb auszukugeln.
Ein riesengroßer Spaß - vor allem im Herbst.
Ach, ist doch kein Problem. Dann nehme ich halt ein paar Blätter und werfe sie durch die Luft zum Üben.
Denkste!
Sie schaute mich an wie einen Mensch vom andern Stern. Ok, das klappte schon mal nicht. Naja, dann gehen wir halt nicht mehr vor die Tür, wenn es windet, bis wir eine neue Lösung haben.
Mittlerweile ist es aber überhaupt kein Problem mehr. Durch viele stressreduzierende Maßnahmen habe ich es geschafft, dass sie - entgegen ihrem früheren Tunnelblick - nun ansprechbar ist, wenn sie ein fliegendes Blatt sieht.
Nicht immer ist es sinnvoll, an dem eigentlichen Auslöser zu arbeiten. Manchmal versteckt sich die Lösung auch ganz woanders und öffnet die Tür, die es zuerst braucht, bis man an dem eigentlichen Thema angekommen ist.
Gassi gehen - auch so ein Thema
Als ich das erste Mal mit ihr Gassi ging, habe ich gemerkt, dass sie die vielen Umweltreize gar nicht verarbeiten kann. Sie hatte so ein enorm hohes, sehr ungesundes Stresslevel - auch ohne überhaupt nur vor die Tür zu gehen.
Also beschloss ich, dass Gassi-Stehen auch ganz schön anstrengend sein kann. So durfte sie sich an unserem Gartentürchen erst mal mit ihrer Umwelt auseinandersetzen. Gassi sind wir viele Wochen gar nicht gegangen, nur mal kurz vor die Tür.
Als sie dann immer mehr ansprechbar war, haben wir unseren Radius auch etwas erweitert. Nicht so weit, wie viele vielleicht denken mögen. Es waren nur ein paar Minuten, die haben ihr aber schon gereicht. Das habe ich dann sehr schnell gemerkt, denn sobald Josie überfordert war, hat sie die anderen Hunde verprügelt. So aus einem absolut kopflosen Stress heraus.
Naja, was soll ich sagen, die Mühe hat sich gelohnt, heute gehen wir schon schöne lange Strecken wandern. Allerdings gehe ich dann meistens mit ihr alleine, die anderen Hunde und mein Mann sind dann nicht dabei. Das ist noch zu viel. Wenn wir gemeinsam einen Spaziergang machen, dann müssen wir eben unsere Erwartungshaltung runterschrauben. Es klappt dann alles lange nicht so gut, als wenn wir alleine sind.
Ach ja - die Erwartungshaltung
Was soll ich sagen - sie hat sie absolut nicht erfüllt, meine Erwartungshaltung.
Ups, das geht wohl vielen Hundebesitzern so, oder? Aber ich erkläre Dir auch gerne, warum sie meine nicht erfüllte und wie ich damit umgegangen bin.
Wie ich anfangs ja schon sagte, ging es ihr in ihrem früheren Leben nicht so gut. Das habe ich aber nicht gewusst, bis ich ihren vorherigen Besitzer gesprochen habe. Mir wurde von der Züchterin das Blaue vom Himmel gelogen, wie gut sie sozialisiert sei, total lieb (das war das einzige, was stimmte) und verträglich mit allen Hunden. Und als wir sie das erste Mal sahen, bestätigte sich das auch.
Aber irgendwie mutierte sie auf der Fahrt zu uns nach Hause von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde. Puh...
Und dieser durchgeknallte, hibbelige, mich ständig (grundlos) ankläffende und leicht aggressive - extra für das hundegestützte Coaching angeschaffte - Hund, sollte nun hier wohnen? Niemals.
Nun überlegte ich, ob ich sie zurückbringen sollte. Das schied aber aus mehreren Gründen aus. Aber wie sollte es weitergehen? Sie an irgendjemanden zu geben, so gestresst wie sie war, würde sie nur noch kranker machen. Das konnte ich ihr nicht antun.
Naja, dann haben wir eben einen neuen Hund, den man für die Arbeit mit Menschen nicht gebrauchen kann. Aber meine Hunde-Oma sollte doch bald in Rente gehen. Noch ein weiterer Hund kam für uns nicht infrage.
Also schob ich erst mal alle Gedanken beiseite und dachte mir, es kommt wie es kommen soll. Ich vertraue immer darauf und diese Einstellung hat mich noch nie getäuscht.
Und was soll ich sagen: Alle meine Erwartungen während des letzten Jahres wurden übertroffen!
Josie heute - ein intelligenter, ausgeglichener kleiner Feger
Ich habe verstanden, dass Josie eine absolut intelligente Maus ist, die gerne Aufgaben bekommt. Wenn sie in etwas keinen Sinn sieht, macht sie es nicht. Wenn man es ihr erklärt, ist sie voll dabei. Hört sich sehr menschlich an - ja, mag sein, ist aber so.
Wenn ich weggehen will, möchte sie mit. Wenn ich ihr erkläre, dass sie nicht mit kann, weil sie die wichtige Aufgabe hat, das Haus zu bewachen, bis ich wieder da bin, legt sie sich in ihren Sessel und wartet dort, bis ich wieder da bin.
Und was soll ich sagen - schon seit einigen Monaten ist sie als mein Co-Coach im hundegestützten Coaching mit dabei! Sie ist wieder total gesund, sowohl mental als auch körperlich.
Sie ist die sensibelste Hündin von allen und sie liebt es, eine Aufgabe zu haben. Sie ist eine echte Streberin, weil sie einen Sinn in ihrer Aufgabe erkennt - nämlich Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen, so wie ich sie in ihrer Entwicklung unterstützt habe.
Mein Fazit
Bitte gib Deinen Hund nicht auf, nur weil er Deine Erwartungshaltungen nicht erfüllt.
Gib ihm eine Chance, denn unsere Hunde können sich nur so verhalten, wie es für sie Sinn macht.
Hundeverhalten hat so viele Ursachen und wenn man mit Köpfchen rangeht, seinem Hund ein Vorbild ist (bei mir war es meine Ruhe, die sie so sehr gebraucht hat), dann können sie sich auch in eine andere Richtung entwickeln.
Aber das braucht Zeit, Geduld und vielleicht auch Unterstützung von Außen. Und Deine Bereitschaft, auch Dich und Dein Sein kritisch zu hinterfragen. Ich helfe Dir gerne dabei, herauszufinden, warum sich Dein Hund so verhält, wie er sich verhält. Ganzheitlich, mit dem Blick auf Dich, Deinen Hund und die anderen zwölfendrölfzig Gründe, die Dein Hund so haben könnte, um sich entsprechend zu verhalten.
Und was mir sehr am Herzen liegt: Schau darauf, was Dein Hund schon kann - und nicht, wo noch seine Defizite sind. Dann wirst Du nie zufrieden sein. Denn vielleicht wird Dein Hund Deine Erwartungen nie erfüllen - und dann?
Auch Josie hat natürlich noch ihre Baustellen, aber die kann ich an einer Hand abzählen - und so ein bisschen Bluna sind wir doch alle, oder?
Den perfekten Hund gibt es genauso wenig, wie den perfekten Menschen. Auch wenn manche Menschen diesen Zustand gerne anstreben würden. Und ich finde, unsere Hunde sind schon echte Meister darin, alles zu tun, damit wir uns in die richtige Richtung weiterentwickeln dürfen.
Ich bin jedenfalls glücklich, mich für die tolle Maus entschieden zu haben, auch wenn es mich viel Kraft und viele Tränen gekostet hat. Aber getreu meinem Motto: Das hilft dann auch meinen Kunden, wenn ich aus erster Hand berichten kann, nehme ich es sportlich.
Ich denke, ich kann gut nachempfinden, wie sich jemand fühlt, der vielleicht schon etliche Hundeschulen hinter sich hat, alle für ihn sinnvollen Möglichkeiten ausprobiert hat, daran denkt, den Hund wegzugeben oder auch an sich selbst zweifelt. In den letzten 30 Jahren bin ich da auch an der ein oder anderen Stelle vorbeigekommen.
Aber ich sehe in meiner heutigen Arbeit auch viele glückliche Gesichter, die erleben durften, wie sich ihr Hund komplett verändert hat und die mit ihm heute entspannt zusammenleben.
Möchtest Du auch dazugehören? Dann sollten wir uns kennenlernen.